„Früher saßen wir morgens zu Dienstbeginn an einem großen Tisch im Gebäude an der Ripdorfer Straße. Selbstverständlich wurde geraucht. Und in diesem blauen Dunst besprachen wir kaffeetrinkend die vor uns liegenden Fahrten“, erinnert sich Heidemarie Schrader. „Alle notwendigen Informationen wurden auf einem Zettel notiert und dann startete die Tour.“ Das war 1993 die morgendliche Routine in der ambulanten Pflege beim DRK Uelzen. In ihrer vierstündigen Route fuhr Heidemarie Schrader damals vier Patienten an. „Patienten sagten wir damals. Heute sind es unsere Kunden“, sagt sie. „Das passt auch besser, finde ich. Denn in vielen Fällen sind die Menschen, die wir besuchen, zwar alt, aber nicht zwangsläufig krank.“
Abschied mit Wehmut
Heidemarie Schrader pflegte Seelen, hörte aufmerksam zu, beriet bei Problemen, wusch Haare, half beim Anziehen, verband wunde Körperstellen, zog Stützstrümpfe hoch, erinnerte ans Trinken, reichte Medikamente und vieles mehr. Und dies zahlreiche Jahre. „Am Ende sind es 29 Jahre geworden. Sie waren anstrengend, aber in erster Linie schön“, fasst sie zusammen. Im Januar 2022 war nun ihr letzter Dienst. In dem wurde sie offiziell verabschiedet. Mit Blumen und guten Wünschen. Und viel Wehmut darüber, eine so einfühlsame und sorgfältige Pflegekraft in den Ruhestand schicken zu müssen. Rüdiger Schlechter, Pflegebereichsleiter beim DRK Uelzen, dankte Heidemarie Schrader bei der Verabschiedung für ihre zuverlässige Leistung in all den Jahren beim DRK.
Begonnen hatte sie 1993 als Pflegehilfe in der ambulanten Pflege. In dieser Tätigkeit fuhr sie im Raum Suderburg, Ebstorf und Wettenbostel eine Vielzahl an Menschen in ihrem Zuhause an. Aufgrund eines Rückenleidens wechselte sie 2017 zunächst in die Intensivpflege und schließlich in die Tagespflege an der Ripdorfer Straße in Uelzen. Die etwa 20 Besucher, die dort täglich einkehrten, versorgte Heidemarie Schrader unter anderem mit offenen Ohren, Bastelideen, gutem Essen, Wissen aus der Zeitung, Bewegungsangeboten und Gehirnjogging.
Pflege damals und heute
Das Berufsbild von damals zu heute habe sich wahnsinnig gewandelt, findet Heidemarie Schrader. „In meinen ersten Jahren fuhr ich in vier Stunden zu vier Kunden – 2017 waren es in der gleichen Zeit acht bis zehn. Der Zeitdruck hat enorm zugenommen“, erklärt sie. Damals wurden alle Besuche handschriftlich festgehalten. Heute ist der Fahrtenplan digital genau durchgetaktet. Zu Dokumentationszwecken kommt ausschließlich das MDA-Gerät zum Einsatz, eine Art programmiertes Handy extra für Pflegefachkräfte. „Jede Tätigkeit muss heutzutage nachweisbar sein“, sagt sie. Viel Handlungsspielraum bleibe dabei nicht. „Aber das ist im Grunde genommen auch klar. Mit den Jahren hat sich unser Gesellschaftsbild ja enorm gewandelt. Und mit ihm auch das Gesundheitswesen inklusive der Gesetze und Möglichkeiten“, erklärt sie. Trotz allen Wandels und den damit verbundenen Vor- und Nachteilen sagt Heidemarie Schrader: „Ich habe meinen Beruf immer gern gemacht. Die nahe Arbeit am und mit dem Menschen mit all‘ ihrer Intimität – das ist schon etwas Besonderes. Oftmals sind wir Pfleger der einzige soziale Kontakt, den die Menschen im Alltag haben. Die Dankbarkeit, die ich in den meisten Fällen von den Kunden zurückbekommen habe, ist daran das Wertvollste.“